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Die Zahl der neuen Lösungen zur Verbesserung des Kundenservices im Internet wächst. Chat, Instant- Messaging-basierter Kundenservice, Live-Video, Co-Browsing etc. versprechen derzeit Einfachheit, persönliche Nähe und ein besseres Kundenerlebnis. Soweit, so gut. Click to Video, Click to Co-Browsing sollen dem Kunden den Kontakt zum Unternehmen vereinfachen. Lösen diese digitalen Service-Angebote aber die grundsätzlichen Probleme eines Contactcenter-Managers? Wie beispielsweise Wartezeiten und die Problematik der richtigen Einschätzung des Mitarbeiterbedarfs?
Ein Callcenter ist ein wesentlicher Kostenfaktor für Unternehmen. Im Massenkundengeschäft belaufen sich diese Kosten pro Sekunde Gesprächszeit bis auf 130.000 € (aus BBM-Projekten). Eine saftige Summe. Ein anderes Problem stellt die ungleiche Verteilung der Anrufe durch Spitzenzeiten an bestimmten Wochentagen oder zu bestimmten Uhrzeiten dar. Hinzu kommt die Schwierigkeit, den Mitarbeiterbedarf richtig einzuschätzen. Die Verkürzung der Gesprächszeit ist also aktuell ein wichtiger Hebel zur Kostensenkung für die Unternehmen und natürlich auch zur Verbesserung des Services bezüglich Schnelligkeit und Kundenzufriedenheit, indem Warte- und Leerzeiten vermieden werden. Ja, nicht nur Kunden müssen warten, sondern auch die Mitarbeiter im Service, wenn Kunden sich nicht melden.
Online von Mensch zu Mensch
Für ein Live-Gespräch zwischen zwei Gesprächspartnern wird ein Mitarbeiter pro Kontaktanfrage gebraucht. Ein Nachteil der synchronen Kommunikation, auch online, besteht darin, dass auf der anderen Seite der “Leitung” ein Mensch sitzen muss. Im Fall eines Anrufs bzw. Klicks muss ein Mitarbeiter zeitgleich zur Verfügung stehen. Ich stelle mir zum Beispiel ein live-Video-Gespräch mit einem Bankberater über mögliche Investments als sehr angenehm vor, oder ein Co-Browsing beim Ausfüllen der Steuererklärung oder bei einer Reisebuchung online.
These
Der Online-Service hat für die Unternehmen einen Nachteil: Die Gespräche werden länger. Das liegt an der unkomplizierten Kontaktaufnahme und des persönlichen Charakters des Kontakts, der bei Kunden immer beliebter wird. Die Kontaktanfragen werden weiter zunehmen und die Zahl der benutzten Kanäle. Durch die zunehmende Beliebtheit der digitalen Kontaktaufnahme wächst jedoch die Gefahr, Kunden zu verärgern und zu verlieren, wenn die angebotene Kontaktmöglichkeit mit unangemessen langen Wartezeiten verbunden ist und ins Leere läuft. Damit steigt auch die Herausforderung an das Management herauszufinden, ob und wie angemessen auf die Kundenerwartungen reagiert werden kann. Daher ist es ebenfalls notwendig, die Kommunikationsentwicklung permanent zu beobachten und gegebenenfalls kurzfristig auf Veränderungen zu reagieren.
Fazit
Der Kundenkontakt wird durch die neuen Medien nicht einfacher und billiger für Unternehmen, sondern eher teurer und aufwändiger. Teurer, weil die Kanäle sich nicht substituieren, sondern zusätzliche Kontakte herausfordern. Aufwändiger, weil die Kunden eine vollständige Vernetzung der Kontaktkanäle erwarten. Folglich kommt es noch mehr als bisher auf Effizienz und Komplexitätsreduktion an. So wird zum Beispiel Marketing schnell zum Rohrkrepierer, wenn die Organisation und Organisationsverantwortlichen der Kundenkanäle nicht frühzeitig eingebunden werden und klares Mitspracherecht haben.
Außerdem steigt die Bedeutung einer ernst gemeinten Multikanalstrategie, die nicht nur die Frage beantwortet, welche Kanäle angeboten werden sollen, sondern auch, welche Leistungen den Kontaktkanälen zugeordnet werden.
Eine einfache Testfrage könnte den Entwicklungsstand eines Unternehmens zu diesem Thema zeigen: Hat die Kanalstrategie den gleichen Stellenwert und die gleiche Aufmerksamkeit im Management wie die Produktstrategie? Wenn nicht, dann besteht dringender Handlungsbedarf im Management und wahrscheinlich auch in der Organisationsstruktur. Erst dann ebnet sich den Weg zum Multichannel-Einsatz. Zum Vorteil von Kunden und Unternehmen.