Die Nutzung der neuen digitalen Kontaktpunkte im Kundenservice nimmt an Wichtigkeit zu. Es ist kaum zu leugnen. Dabei lässt sich auf Seiten der Unternehmen eine gewisse Skepsis feststellen. Das hat meiner Meinung nach weniger mit allen möglichen Gründen der Scheu vor dem Internet zu tun, sondern mit ganz praktischen Umständen.
Kunden- und Unternehmensinteressen müssen unter einen Hut
Meine These im vorherigen Artikel Herausforderungen im Callcenter-Management lautet, dass sich der Aufwand für die Kundenbetreuung durch den digitalen Multi-Channel-Ansatz nicht zwangsläufig verringern wird. Die These basiert auf zwei Argumenten: Die Kanäle substituieren sich nicht, sondern fordern zusätzliche Kontakte heraus. Die Kunden erwarten eine vollständige Vernetzung der Kontaktkanäle und immer schnellere Reaktionszeiten, wie sich in der Studie von Allianz nachlesen lässt. Folglich kommt es noch stärker als bisher auf Effizienz und Komplexitätsreduktion an. Das bedeutet für Unternehmen eine aufwändige Gratwanderung zwischen einer angemessenen Reaktion auf die Kundenerwartungen und der Wirtschaftlichkeit der Dienstleistung.
Multi-Channel-Strategie oder konzentrierter Service?
Es kommt darauf an. Es ist interessant festzustellen, dass sich die Einsatzplanung eines Callcenters desto präziser planen lässt, je größer es ist. Die Service-Qualität hängt also von der Größe des Callcenters ab. Das spricht auf den ersten Blick aus Unternehmenssicht gegen eine Multi-Channel-Lösung. Das Bereitstellen verschiedener Kontaktkanäle verteilt die Kundenanfragen in einer Weise, die die genaue Planung erschwert. Die Zersplitterung der Kundenanfragen auf verschiedene Service-Fenster könnte daher nicht immer von Vorteil sein. Denn letztlich muss es sich rechnen.
Gratwanderung zwischen Kundenerwartungen und Wirtschaftlichkeit
Zum größten Kostenblock eines Service-Centers zählen die Personalkosten. Die Reduktion der Kosten erfolgt immer über die Verringerung von Ausfallzeiten, Leerzeiten und Bearbeitungszeiten. Das ist in der Branche bekannt. Und das Problem verschwindet auch nicht mit neuen digitalen Kanälen. Hinzukommt die Schwierigkeit, Kundenerwartungen und Mitarbeiterzufriedenheit, Arbeitsmotivation und Unternehmensziele in Einklang zu bringen
- Ausbildung: Viel Ausbildung kostet Geld, erhöht jedoch die Erfolgsquote und die Kundenzufriedenheit.
- Verhältnis Teilzeit/Vollzeit: Viele Teilzeitkräfte erhöhen den Schulungsaufwand andererseits können Teilzeitkräfte bedarfsgerechter eingesetzt werden.
- Steuerung und Führung steigert die Effizienz, erhöht allerdings auch die Kosten für Infrastruktur und Personal und kann überdies zu Frustrationen führen.
- Differenzierung der eingehenden Anfragen und individuelle Bearbeitung erlauben den Einsatz weniger geschulten Personals; doch dies erhöht den Aufwand für die Personalplanung.
- Die Unterbringung der Mitarbeiter in einem Großraumbüro führt zu höherer Effizienz und Verkürzung der Bearbeitungszeiten, weil dort die Steuerungsmöglichkeiten besser sind; ein Großraumbüro ist allerdings auch mit Unannehmlichkeiten für die Mitarbeiter verbunden.
Auch Servicequalität muss sich rechnen
Das Ausbalancieren der Problemzonen kennzeichnet die Herausforderungen in jedem Servicemanagement. Ob Callcenter oder digitale Kontaktkanäle: Unternehmen müssen sich in erster Linie mit der Frage der Kanaldiversifizierung, der Servicequalität und der Unternehmensstrategie auseinandersetzen. Und zwar konsequent. Das führt zu besseren Entscheidungen und löst letztlich auch die Frage der Wirtschaftlichkeit. Denn es muss sich rechnen.